spontane Geburt nach zwei Kaiserschnitten

Begonnen von Sonne1978, 08. Februar 2012, 12:27:43

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Sonne1978

Bevor ich den eigentlichen Geburtsbericht beginne, eine kleine Erläuterung, warum diese Geburt etwas Besonderes ist.

Unsere ersten beiden Kinder wurden per Kaiserschnitt geboren. Einmal wegen BEL, beim zweiten Mal wg. geringem zeitlichem Abstand zum ersten Kaiserschnitt (18 Monate). Daher war in meiner 3. Schwangerschaft von Anfang an klar, dass auch diese mit einem Kaiserschnitt enden würde. Auf mein Nachfragen bei verschiedenen Ärzten wurde mir immer wieder gesagt, dass eine spontane Entbindung nach zwei Kaiserschnitten ein zu hohes Risiko für Mutter und Kind birgt. Drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin bin ich im Internet zufällig auf den Bericht einer Frau gestoßen, die nach zwei Kaiserschnitten spontan ihr drittes Kind zur Welt gebracht hat. Daraufhin habe ich viel im Internet gelesen und auch erfahren, dass mein Vorhaben einen eigenen Namen hat: VBAC – vaginal birth after caesariaen. Mit diesem Begriff habe ich noch mehr Informationen sammeln können und mich mit diesen in einer Klinik vorgestellt. Die Klinik war ein Glücksgriff, denn sowohl die Ärztin, als auch die Hebammen haben meinen Wunsch nicht nur respektiert, sondern auch ihre Unterstützung angeboten. Ich wurde über Risiken aufgeklärt und der mögliche Geburtsverlauf besprochen. Ich fühlte mich sofort gut aufgehoben. Nun musste es nur noch losgehen.

Der errechnete Termin war der 02.02.2012. Bereits zwei Wochen vorher hatte ich immer wieder regelmässige, aber schwache Wehen. Und jedes Mal Hoffnung, dass es losgehen könnte. Nichts. Fünf Tage bevor es wirklich losging, hatte ich über zwei Stunden lang so starke und regelmässige Wehen, dass ich abends ins Krankenhaus gefahren bin. Die wurden aber schon auf dem Weg dorthin weniger... Fehlalarm. Ich war frustriert. Hatte keine Lust mehr auf diese Schwangerschaft. Wollte unser Kind endlich im Arm halten.

Am 01.02. fing mein Bauch am frühen Nachmittag an, immer wieder hart zu werden. Jedoch ohne Schmerzen. Ich war mir ganz sicher, dass es sich wieder um lästige Vor- oder Senkwehen handelte. Am späten Nachmittag war da eine gewisse Regelmässigkeit zu spüren, aber nicht nennenswert schmerzhaft. Und nach dem letzten Fehlalarm habe ich mir geschworen, erst wieder ins Krankenhaus zu fahren, wenn es gar nicht mehr anders geht. Gegen 20 Uhr fand ich, dass wir fahren könnten. Mein Mann und ich haben unsere beiden Kinder ins Auto gepackt und sind aufgebrochen. Gegen 21 Uhr ist mein Mann mit den Kindern wieder nach Hause gefahren und würde wiederkommen, wenn unser Baby da ist. CTG und Fühlen des Muttermundes (2 cm) hat gezeigt, was ohnehin klar war: es geht los. Als mein Mann weg war, bin ich ein wenig spazieren gegangen. Hauptsache Bewegung, Schwerkraft ausnutzen, Wehen fördern. Die Wehen wurden deutlich stärker. Veratmen. Daran denken: mit jeder Wehe kommen wir uns näher, kleiner Mensch.

Die Hebamme kam zu mir und fragte, ob ich ein Bad zur Entspannung nehmen möchte. Das hörte sich super an – klar!! Einen Tee mit Traubenzucker? Perfekt! Sie liess das Badewasser ein, bereitete den Tee und ich entkleidete mich zwischen diversen Wehen. Das Bad und der Tee hatten wirklich eine wunderbare Wirkung. Die Wehen kamen sanfter, ich konnte mich in der Wanne freier und schwereloser bewegen und der Tee stärkte mich ein wenig. Irgendwann war jedoch der Punkt gekommen, an dem ich es im Wasser nicht mehr ausgehalten habe... die Schmerzen wurden stark und lang. Die Badewanne bot mir nicht mehr genug ,,Halt". Die Hebamme begleitete mich in den Kreisssaal. Mit einem Shirt bekleidet versuchte ich, eine angenehme Position auf dem Bett / der Liege zu finden. Über mir hingen zwei geknotete Tragetücher. Ich schnappte mir eines und krallte mich bei jeder Wehe daran fest. Laaaaaaaaange ausatmen... ,,auf was habe ich mich da eigentlich eingelassen?!" Ich fragte mich, wann es legitim wäre, nach einem Schmerzmittel zu fragen...

Sonne1978

Jetzt. Jeeeeeeeeeeeeetzt war der Zeitpunkt da! Es war zwischen ein und zwei Uhr nachts, genaue Uhrzeiten sind mir schon lange egal. Bitte einmal mit dem Finger schnippen und die Schmerzen sind betäubt, ja?? Nein, so schnell ging's leider nicht. Subjektiv hat es ewig gedauert, bis die PDA lag. Endlich. PDA gelegt. Alles wird gut. Moment. Wehe. Aaaaaaaaaaaatmen. Okay... jetzt aber. Wieder. Wehe. Aaaaaaaaaaaaatmen. Hallo. Ärztin. Schmeeeeeeeeeeeeeeerzeeeeeen. Ärztin spritzt nach. ,,Sie sind ja eine große Frau, da brauchen sie eine höhrere Dosis." Ich merk' aber nichts.  Doch, Schmerzen, wahnsinnige Schmerzen. Zweimal wird noch nachgespritzt. Es tut sich weiterhin nichts an der Intensität der Schmerzen. Ärztin erklärt mir, dass die PDA wohl nicht richtig liegt, sie könne aber noch keine Neue legen. Nein, nein, nein. Warum in einem so völlig unpassenden Moment wie diesem die Arschkarte ziehen?? Nach einer gefühlten Stunde startete die Ärztin den zweiten Versuch mit der PDA. Wahrscheinlich waren es nur 10-20 Minuten, die ich darauf warten musste... Endlich, sie lag wohl diesmal gut. Aber bevor gespritzt werden sollte, wollte die Hebamme nochmal meinen Muttermund fühlen. 8 cm. Ob sie während einer Wehe fühlen dürfte. Mir egal. Mir ist alles egal, Hauptsache, Schmerzen sind bald weg. 10 cm. Wow! Das Ende ist für mich in Sichtweite. Und: ich habe jetzt starken Druck auf dem Darm. Ich darf pressen. In den Pausen in den Bauch atmen. Zum Kind. Mach' ich. Jetzt wieder pressen. Die Ärztin erklärt mir, dass sie die Saugglocke zu Hilfe nehmen muss, die Herztöne des Babys sacken bei jeder Wehe ab. Sie führt das (für mich überraschend kleine) Ding ein und ich presse. In jeder Pressphase merke ich, wie der Kleine ein Stück weiter kommt. Ich bin euphorisch. Jaaaa, ich schaffe das!! Pressen. Jaaaaaaaaaaaaa, gleich hast Du's geschafft, kleiner Mann. Uaaaah, es tut so weh... einmal noch: preesssseeeeeeeeeeen!! Und da flutscht er raus. Ein kleines, zartes Würmchen. Aus eigener Kraft!! Er muss abgesaugt werden. Die Nabelschnur ist um seinen Hals geschwungen. Er wird abgenabelt und schreit auch schon aus Leibeskräften. Und endlich bekomme ich ihn auf die Brust gelegt. Dieses nackte, matschige Baby.


Während ich in Glückseeligkeit bade, werde ich versorgt. Die Ärztin musste schneiden, die Wunde wird genäht. Der Kleine schreit die ganze Zeit. Ich streichle ihn, küsse ihn, rede mit ihm. Er weint trotzdem. Wen wundert's. Nach etwa einer Stunde wird er von der Hebamme gemessen und gewogen.

Wir werden in den Ruheraum geschoben. Der Kleine ist immer noch nackt, liegt auf meiner Brust und hat mittlerweile aufgehört, zu schreien. Ist aber sehr schreckhaft. Bei der kleinsten Unruhe fängt er wieder an zu schreien, das arme Würmchen.

Die Hebamme kommt immer wieder und tastet meinen Bauch, aber die Gebärmutter will nicht kleiner werden. Sie sagt, ich solle mal auf Toilette gehen. Als ich aufstehen will, merke ich, wie meine Vorlage voll wird. Ich will sie vorwarnen und im nächsten Moment ist alles voller Blut. Boden, Bett, Hose... Ich lege mich wieder hin. Die Hebamme macht sauber, drückt auf meinen Bauch und der nächste Schwall kommt. Die Ärztin wird gerufen. Ich bekomme eine Infusion, die die Gebärmutter zur Rückbildung stimulieren soll. Bei jedem Druck auf den Bauch durch die Hebamme kommt das Blut schwallartig aus mir heraus. Die Dosis der Hormone in der Infusion wird mehrfach erhöht. Mir wird ein Katheder zur Entleerung der Blase gelegt. Dabei fällt ein Riss auf, der bei der Geburt übersehen wurde. Ich muss erneut genäht werden. Ich weiss gar nicht, was schlimmer ist: die örtliche Betäubung oder die Stiche beim Nähen, die trotz Betäubung schmerzhaft sind. Mein Bauch wird ,,massiert", gedrückt, gewalkt, immer wieder kommt Blut raus, es wird aber weniger. Die Gebärmutter bildet sich endlich zurück, der Riss blutet nicht mehr. Es sind mittlerweile 4,5 Stunden seit der Geburt vergangen, unser Sohn liegt noch immer nackt bei bzw. auf mir und die Blutung ist endlich unter Kontrolle.

Mein Mann und unsere Töchter sind nun auch endlich da und wir können die ersten Minuten als Familie genießen. Ich bin einfach nur glücklich.

Durch die Komplikation nach der Geburt habe ich leider soviel Blut verloren, dass ich einen Tag später zwei Blutkonserven benötigte, um irgendwie annähernd auf ,,Betriebstemperatur" zu kommen. Mein Hb-Wert ist so starkt abgefallen, dass es noch lange dauern wird, bis ich wieder richtig belastbar bin.

Trotzdem: Die Geburt unseres Sohnes war eines der bewegendsten Erlebnisse in meinem Leben. Ich bin immer noch beseelt von dem Glück, diese einzigartige Erfahrung machen zu dürfen. Aus eigener Kraft :)

Froschkönigin

boah sonne.
ich hab richtig gänsehaut.
mensch, da hast du aber noch was durchmachen müssen!!!!
ein toller bericht.
herzlichen glückwunsch zum kleinen oskar.
wie geht es dir inzwischen?
ich hoffe du erholst dich schnell.
lg
Shari Luise * 33+5  3150 g  51 cm


TinaundCJ

Erstmal herzlichen Glückwunsch,dass Du diesen Traum auch erleben duftest!

Echt schade,die Begründung vom 2. KS....meine Kleine kam 18 Monate spontan nach meinem 2. KS  :)
Liebe Grüsse von Tina mit den 4 kleinen CJ´s an der Hand und 2 Sternchen im Herzen


Sonne1978

#4
Mir geht es langsam besser, danke :) Der massive Hb-Abfall muss erst wieder ausgeglichen werden, das dauert einfach. Die Bluttransfusionen waren eine echte Starthilfe, aber nun müssen Eisenpräparate den Rest richten.

@Tina
Rückblickend war es genau die richtige Entscheidung, wieder einen Kaiserschnitt zu machen. Unsere 2. hatte einen echten Nabelschnurknoten bei kurzer Nabelschnur, Fruchtwasser war schon dicklich-grün, das wäre ins Auge gegangen.

Aber ich habe mich auch nicht im KH vorgestellt zur Besprechung meiner Möglichkeiten. Zwar nachgefragt, aber die Schwester, mit der ich mich damals unterhalten habe, meinte, Vorstellung wäre nicht nötig, ich soll einfach kommen, wenn's soweit ist. Tja...dann bin ich mit Wehen aufgetaucht und es gab nur wenig Informationen für die Ärzte, um eine spontane Geburt ruhigen Gewissens zu begleiten. Das Verhalten der Ärzte fand ich okay, aber die Schwester hätte mich informieren müssen. Naja, was soll's - ich habe mein lang ersehntes Geburtserlebnis nun gehabt :)

Ich kann nur jeder Frau mit Kaiserschnitt-Erfahrung empfehlen, bei gewünschter spontaner Entbindung das persönliche Gespräch mit einem Arzt im Krankenhaus zu suchen. Zur Not in mehreren Krankenhäusern.

TinaundCJ

Es ging ja nur um die Begründung des KS  ;)

Aber ich gebe Dir Recht was das Gespräch mit KKH oder Hebi angeht.

Unsere Nr.4 soll diesmal zuhause kommen :)
Liebe Grüsse von Tina mit den 4 kleinen CJ´s an der Hand und 2 Sternchen im Herzen


Steffie

Ein wirklich toller Bericht!
Ich selbst habe meinen Sohn per Not KS entbunden und möchte es dieses mal wieder spontan probieren  :). Nachdem ich mir ja soooo sicher war gleich einen KS zu nehmen  ::), aber gut, nun denke ich anders.