Ich habe zwar einen wahnsinnigen Druck nach unten, aber die Kleine bewegt sich nicht vorwärts. Anscheinend reichen die Wehen nicht mehr aus, weshalb ich einen Wehentropf bekomme. Doch obwohl dieser ständig stärker gedreht wird und ich das Gefühl habe eine Melone Kacken zu müssen (sorry für die Ausdrucksweise, aber so hat es sich angefühlt) bewegt sich die Kleine kein Stück vorwärts. Die Zeit vergeht, die zwei Stunden sind längst um. Eine Studentin kommt und fragt, ob sie bei der Geburt dabei sein darf. Ist mir doch egal, ich will jetzt endlich mein Kind! Dieser Druck ist kaum zum aushalten. Obwohl die PDA abgestellt ist und ich langsam wieder Gefühl in meine Beine bekomme, spüre ich kaum Wehen, nur diesen Druck. Die Hebamme meint dann, ich soll jetzt einfach mal pressen, wenn ich eine Kontraktion spüre. Gesagt getan, ich bin froh, dass ich was tun kann. Ich presse was das Zeug hält, bis mir fast schwarz wird vor Augen. Mein Mann feuert mich an. Die Hebamme sagt, sie sieht viele dunkle Haare. Ich gebe alles, doch es geht kaum vorwärts. Die Kleine bewegt sich während des Pressens zwei Milimeter nach unten, in der Pause rutscht sie wieder einen nach oben. Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende und schreie dies auch laut Hals raus. Ich halte diesen Druck nicht mehr aus, ich will nicht mehr. Es ist ca. 10.30h, plötzlich füllt sich der Kreissaal mit Leuten- die Kreissaalärztin, der Oberarzt, eine zweite Hebamme. Alle stehen um mich rum, jeder fingert in mir rum, ich weine nur noch. Dann verschwinden alle wieder. „Wir gehen mal raus uns besprechen“ meint die Hebamme. Sie kommen zurück und meinen wir holen jetzt ihr Kind mit der Saugglocke, sie muss jetzt raus. Ich erinnere mich an die kleine Kiwi, die uns die Hebamme im Vorbereitungskurs gezeigt hat und denke es wird schon nicht so schlimm werden. Pustekuchen, nicht ist mit Minisaugglocke. Die kommen mit einem Riesending an. Die PDA wird wieder hochgedreht. Trotzdem denke ich ich sterbe, als der Arzt die Saugglocke anbringt. Ich schreie wie am Spieß, solche Schmerzen hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie. Es fühlt sich an, als würde es mich zerreißen (was es auch tut). „Sie müssen jetzt mithelfen, pressen Sie“, aber ich kann nicht mehr, ich will nur noch sterben. Mein Mann steht hilflos daneben, er ist kreidebleich. Zwei Leute liegen oben auf meinem Bauch und drücken, von unten wird gerissen, dann ist es geschafft. Es ist der 5.6. 10.56h. Meine Sarah ist auf der Welt. Doch ich empfinde kein Glück. Ich in einfach nur erschöpft.
Ohne meinen Mann hätte ich das ganze nicht durchgestanden und ich bin ihm unendlich dankbar, dass er die ganze Zeit für mich da war.
Die Nabelschnur ist wohl sehr kurz und ist auch noch um den Hals gewickelt. Sie schreit nicht. Schnell darf mein Mann sie abnabeln. Dann wird sie der Kinderärztin gegeben, die wohl zwischenzeitlich eingetroffen ist. Es kommt mir endlos vor, wie sie geknetet und untersucht wird. Dann schreit sie und endlich bekomme ich sie in ein Handtuch gewickelt auf den Bauch. In der Zwischenzeit ist auch die Nachgeburt draußen. Nun nur noch Nähen. Ich habe einen Dammriss 2. Grades und 2 Scheidenrisse, aber ich spüre das Nähen dank PDA nur als leichtes Zupfen. Ich weiß nicht, wie lange das ganze dauert, der Arzt meint nur es sei eine gute Bastelarbeit. Dann sind wir endlich alleine und können ein bisschen kuscheln. Wieviel Zeit vergangen ist weiß ich nicht mehr, aber schließlich wird Sarah gemessen und gewogen:
50cm, 3710g, KU 36cm
Danach vergeht noch einige Zeit, denn die Hebammen sind alle beschäftigt, ich lege Sarah zum ersten Mal an und es klappt ganz gut. Schließlich werde ich mit dem Rollstuhl aufs Zimmer gebracht, während mein Mann mit der Hebamme auf die Mutter-Kind-Station geht, wo Sarah gewaschen, gewickelt und angezogen wird. Ich bin zu erschöpft um aufzustehen und mein Kreislauf macht auch nicht ganz mit. Ich habe solche Schmerzen, dass ich tagelang kaum laufen kann und gar nicht sitzen. Das Aufstehen aus dem Bett hat mir solche Mühe bereitet, dass die Nachtschwester Sarah zum Wickeln holen muss, da ich nicht in der Lage dazu bin. Tagsüber übernimmt mein Mann dass, aber die Besuchszeit endete leider um 20 Uhr. Am nächsten Tag werde ich dann zum Glück auf die Mutter-Kind-Station verlegt, so dass die Wege nicht mehr so weit sind und wo am Bett der Mutter direkt eine Schlafinsel für das Kind ist, so dass ich nicht jedes Mal aufstehen muss zum Stillen.
Die nächsten Tage werden noch mal ziemlich unschön, denn Sarah bekommt eine starke Gelbsucht und ist zu schwach zum trinken. Ich muss sie nun alle 3 Stunde wecken um sie zu füttern, die Hebammen tun so als würde ich mein Kind verhungern lassen. Ich bin total am Ende und gehe auf dem Zahnfleisch, denn bis ich fertig bin mit wickeln, 1 Brust stillen, andere abpumpen, Muttermilch füttern und Pre Nahrung zufüttern (das hab ich mir so nicht ausgedacht, war Anweisung der Hebammen) sind ca. 2 Stunden rum und bis Sarah schläft kann ich dann wieder von vorne anfangen. Leider hilft auch das ganze Zufüttern nicht, die Gelbsucht wird durch die gesteigerte Nahrungsaufnahme nicht besser. Am Sonntag den 9.6. werde ich endlich aus der Klinik entlassen am Ende meiner Kräfte- ohne unsere Tochter. Sarah muss auf die Neugeborenenstation verlegt werden und bekommt dort eine Phototherapie. Obwohl ich weiß, dass es keine schlimme Erkrankung ist tut es mir weh sie so zu sehen: Nackt, alleine in ihrem Bettchen, verkabelt und mit Infusionen. Wir können zwar nichts für sie tun, aber dennoch sitzen wir den ganzen Tag neben ihrem Bett. Am 11.6. können wir sie endlich nach Hause mitnehmen.
Die Geburt habe ich recht traumatisch empfunden und nach wie vor bleibt immer wieder das Gefühl versagt zu haben. Ich hoffe, dass ich nach und nach besser damit umgehen kann.
Wer bis hierhin durchgehalten hat, vielen Dank!!